31.05.
Weiter ging es von Coromandel-Town in den höheren Norden der Coromandelhalbinsel.
Zu Fuß (von Oamaru bis zur Straßensperrung bei Amodeo) und getrampt gelangten wir über völlig abgelegene Schotterstraßen über Collville bis nach Port Charles. Dabei ging es auf und ab durch ein beeindruckendes Gebirge mit sehr steil abfallenden Hängen und schluchtartig schmalen Tälern einmal quer rüber auf die andere Seite von Coromandel.
Von Port Charles wanderten wir dann bis zur Stony-Bay, immer an der Küste entlang. Der Wind frischte zunehmend auf und hinter jeder landeinwärts gerichteteren Kurve fegte er uns fast von der Piste und kühlte uns aus. Die Sonne gab sich zwar Mühe und aufzuwärmen, aber die kühlen Böen blieben echt ungemütlich. Stony Bay erwartete uns mit einem herrlich weitläufigen Campingelände. Mit Blick aufs Meer und den Bergen im Rücken suchten wir einen einigermaßen windegschützten Platz für unser Zelt. Mittlerweile hatte sich der Wind zum Sturm gesteigert und kam mit Getöse von den Bergen herab und rüttelte an den Bäumen, dass einem Himmelangst wurde. Wir standen zum Glück recht gut geschützt, aber die gesamte Nacht über tobte der Sturm über uns hinweg, zum Glück ohne Regen und mit überraschend milden Temperaturen.
01.06.
Hatten wir am Abend zuvor noch für eine Rückkehr nach Port Charles plädiert, ließ uns das deutlich freundlichere Wetter einen neuen Plan ins Auge fassen.
Wir (dass heißt ich – Dirk musste überredet werden) entschieden auf dem Coromandel-Coast-Way weiter Richtung Fletcher-Bay und Port Jackson zu wandern. Allerdings hatten wir nicht mit einem so steilen Anstieg die Berge hoch gerechnet, gefühlt waren das mindestens 800 hm, aber tatsächlich nur 470 hm.
Das brachte uns mal wieder ordentlich ins Schwitzen, aber der Weg war richtig gut. Trotzdem hörte ich hinter mir fortwährend Dirks Gemaule (der Rucksack sei zu schwer, der Berg zu hoch und vieles mehr…). Aber dann als wir die Waldgrenze erreicht hatten und sich der Blick über das glitzernde Meer und all die Buchten und Inseln auftat, verschlug es uns förmlich die Sprache. Es war atemberaubend schön! Und diese nahezu unbegrenzte Weite in alle Richtungen war überwältigend. Wir meinten fast ganz Coromandel einsehen zu können, Bergketten im Hinterland und die zerklüfteten Küstenlinien zu beiden Seiten. Einfach genial!
Der Abstieg bis zu Fletcher Bay ließ den Blick frei und führte über Wiesenhänge entspannt nach unten zum Strand und schon von oben machten wir zu unserer Erleichterung einige parkende Fahrzeuge, alles potentielle Mitfahrgelegenheiten, aus. Wir freuten uns schon auf eine Mittagspause dort am Strand , als Dirk bemerkte, dass er seine Jacke verloren hatte. Da sank das gute-Laune-Barometer aber schlagartig und wohl oder übel musste er noch einmal ein gutes Stück zurück.
Zum Glück kam er in dem Augenblick zurück gespurtet, als ein Camper vom Strand starten wollte, so dass er gerade noch rechtzeitig den Daumen hochhalten und fragen konnte. Und dann hatten wir noch das unverschämte Glück, dass die beiden Australier nicht nur bis Port Jackson sondern anschließend wie wir auch noch zurück nach Coromandel-Town wollten. Die enge Küstenstraße schlängelte sich entlang der oft sehr steilen Buchten und wirkte eher wie ein Weg und oft abrutschgefährdet. Aber unser Fahrer fuhr sehr sicher und tiefenentspannt und die Ausblicke blieben weiterhin echt malerisch. Das australische Pärchen war recht unterhaltsam und zu unserer Freude legten die beiden immer mal wieder an besonders schönen Stellen einen Stop für kurze Spaziergänge ein. Am späten Nachmittag erreichten wir gemeinsam den uns wohlbekannten Holidaypark von Coromandel und hatten bis dahin mal wieder sämtliche Familiengeschichten ausgetauscht.
02.06.
Man, war uns heute schlecht geworden, so richtig „carsick“, auf der Fahrt entlang des kurvigen Küstenabschnittes des Highway 25 von Coromandel City nach Tararu zum Dickson Holidaypark in einem völlig überhitzten Autos. Noch lange nach dem Aussteigen hielt das duselig-dumpfe Gefühl im Kopf an, obwohl wir uns dann schon auf dem Aufstieg zum Tinkers-Goldminentrack befanden. Entlang des Trails sahen wir immer wieder die höhlenartigen Stolleneingänge, in denen aber tief das Wasser stand. Zurück ins Tal mussten wir etliche Male über den Bach und einige Abrutsche klettern. Aber dieses Mal blieben die Schuhe trocken.
03.06.
Hatten wir mal wieder ein Glück früh am Morgen eines Feiertages direkt vom Campingplatz bis zum Beginn des Pinnacletrails (14 km hinter Thames) gefahren zu werden!
Und das Wetter spielte auch noch mit: die Wolkendecke riss auf und gab den Blick auf die Berge frei. Der Aufstieg bis zur riesigen Pinnacle-Hut (insgesamt 80 Betten) folgte einem gut ausgebauten Weg mit vielen Felsstufen und über einige Hängebrücken. Der Wind pfiff ordentlich und nahm immer weiter an Fahrt auf, je höher wir kamen. An der Hut entledigten wir uns unseres schweren Gepäcks und liefen unbeschwert Richtung Pinnaclesummit.
Kurz vorm Gipfel wurde es wieder mal ordentlich schlammig und eine Kraxeltour mit in den Fels gehauenen eisernen Steighilfen begann. Mittlerweile war der Wind so stark, dass man sich festhalten musste, um nicht umgeweht zu werden und dass man beim Fotografieren das Handy nicht ruhig halten konnte. Mir fuhr mit einem Mal eine Bö am Rücken von unten in die Jacke, so dass ich fast wie ein Ballon ein Stück abhob (und wahrscheinlich wie ein Michellinmännchen aussah) – und das auf einer Leiter!
Oben gab es eine kleine Plattform, zum Glück mit Geländer. Wolkenfetzen wurden mit einer hohen Geschwindigkeit über uns hinweggetrieben, aber der Blick war grandios. Wir sahen bis zur Bucht von Tairua und dem erloschenen Vulkankegel. Von dort aus waren uns die Pinnacleszacken in der Ferne überhaupt zum ersten Mal aufgefallen. Und jetzt schauten wir zurück, im wahrsten Sinne des Wortes. Wieder einmal hatte sich ein Kreis geschlossen.
04.06.
Kurz vor Sieben in der Frühe meinte ich beim ersten Blinzeln einen rötlichen Schimmer durch das Fenster zu sehen. Mein Gott – der Himmel war klar und der Morgen dämmerte im zarten Rosa… was wäre, wenn wir hier oben einen Sonnenaufgang über den Bergen erwischen könnten?
Nur noch 20 Minuten Zeit – da hieß es schnell rein in die Klamotten und losgeflitzt! Dirk wäre zwar lieber noch im Bett geblieben und knurrte erst etwas mürrisch, aber dann wollte er der erste am Berg sein. Der Himmel war jetzt fast komplett rotorange; das dunkle Nachtblau nahezu verdrängt. Auf halber Gipfelhöhe hatten wir den besten Blick. Die Sonne quälte sich noch durch ein schmales Wolkenband, brachte aber dessen oberen Rand immer mehr zum Glühen, bis sie dann das erste Strahlenbündel herüber ins Tal schickte, das mit einem Mal rot durchflutet wurde. Und dann gab es eine Farbexplosion von allen Rot und Gelbtönen ringsum. Der Himmel, die Gräser, Sträucher, Baumkronen, Berghänge und -kuppen alles in dieses Meer aus warmen Farbtönen getaucht. Einfach überwältigend schön! Damit hatten wir schon am Morgen unseren Tageshöhepunkt erlebt und das Versprechen für einen strahlend blauen herrlichen Tag.
Zurück in der Hut gab es Frühstück und herrlich heißen Kaffee. Dabei war uns bewusst, dass der Abstieg ins Tal der Abschied von allen größeren Wanderungen in Neuseeland sein würde… um so mehr nahmen wir auf dem Weg nach unten die Naturkulissen noch einmal in uns auf.
Auch, wenn wir jeden Tag woanders unterwegs waren und außer unserem Zelt kein beständiges Zuhause hatten, haben wir uns irgendwie immer wie vertraut und nirgendwo fremd gefühlt. Und abends bekamen wir wieder auf dem Dickson Campingplatz unseren kleinen gemütlichen Wohnwagen, jetzt sogar noch zu einem reduzierten Winterpreis, von einer fröhlich mitteilsamen Rezeptionsdame. Und gerade eben haben wir zu unserer großen Überraschung von den Wakefields – unseren Trail-Angeln in Auckland – eine Einladung zum Dinner für Donnerstag bekommen.
05.06.
the real last one trail in New Zealand – nun doch heute noch einmal für uns… und alles ringsum gab sein bestes: das Wetter, der Trail und die Natur.
Ein kühler, aber sonniger Morgen machte uns den Start nicht schwer. Wir folgten bergauf dem Tararu Stream, der uns mit kleinen Wasserfällen und türkisen Badebecken (zur Erinnerung an einen fernen Sommer) überraschte. Die Schotterstraße führte uns zum Start des Trails. Dort wurden wir mit einem großen Schild vor Sturmschäden gewarnt. Wir versuchten trotzdem unser Glück und querten bald einen ziemlich großen Slip der sich als einzig großes Hindernis herausstellte.
Und weiter schlängelte sich der Weg entlang des Tararucanyons stetig bergan, immer mal unser Flüsschen querend, bis zum Kammweg. Dort gab’s eine letzte Mittagspause mit Aussicht in Richtung der Pinnacles und einer ganzen Menge Wehmut. Bei dem Lookout sollte es sich um eine sogenannten Krateraussicht handeln (keine Ahnung, warum diese so benannt wurde). Aber es war wunderschön.
Anschließend ging es durch einen herrlichen Urwald, der uns ein wenig an die Südinsel erinnerte, mit vielen kleinen und großen Farnen, den bemosten und mit Cabbage bewachsenen Bäumen. Und durch das Blattwerk tänzelten die Sonnenstrahlen. Auch duftete der Wald hier wie im fernen Süden sehr aromatisch. Zunächst blieben wir auf dem Bergrücken bevor es dann allmählich Richtung Thames wieder hinab ging. Leider war alles so dicht bewachsen, dass wir immer nur einen kurzen Blick in die tiefen Täler zu beiden Seiten des Berggrates erhaschen konnten. Und dann kam er wieder, unser alter Bekannter, der Schlamm. Doch wir meisterten auch dieses letzte Hindernis und landeten nach fast 3 h in Thames.
Nach einem kleinen Stadtrundgang verputzen wir noch eine Pizza und machten uns danach auf in Richtung Dickson Holidaypark. Und auf dem Weg dahin zauberte der Himmel einen herrlichen Sonnenuntergang über dem Meer. Und dann hatten sich für uns zum Abschied – so meinten wir – noch einmal alle Austernfischer von ganz Coromandel am Straßenrand versammelt (es müssen Hunderte gewesen sein). Wahnsinn.