12.02.
In Hammer Springs verschickten wir unser Versorgungspaket nach St. Arnaud, das für unsere Verpflegung in den Richmonde Ranges gedacht ist. Die Strecke von Hanmer Springs bis zu unserem Startpunkt am Boyle Campingplatz trampten wir wieder. Ab dann begleitete uns das Flüsschen Boyle entlang des Weges bis zur Boyle-Flat-Hütte, in der wir übernachten wollten. Der Waiau-Track zeigte sich auf den ersten 13 km entspannt, nur leicht auf und ab, mit Blick auf das Flußtal hinab, meistens im Waldschatten entlang. Kurz vor unserer Ankunft in der Hütte landete dort ein Stück flussabwärts ein Hubschrauber, um wieder einmal jemanden zu retten.
13.02.
Edward oder die Geschichte einer schlaflosen Nacht: Ein Geräusch hatte mich aufschrecken lassen. Nun saß ich kerzengerade auf der Schlafmatte und lauschte. Tap, Tap, Tap, kleine huschende Schritte und dann ein lautes Geraschel und Tütenknistern. Was war das für ein nächtlicher Störenfried?
Hoffentlich kein Possum oder eine Ratte gar! Auf jeden Fall hatte da jemand Hunger.
Ich leuchtete mit der Stirnlampe, aber es war nichts Verdächtiges zu sehen. Wir hatten ja auch alle unsere Rucksäcke und Lebensmittelbeutel aufgehängt, da dürfte doch gar nichts passieren…
Da – das Knispern und Rascheln war jetzt ganz nahe. Es schien jetzt vom Kochtisch zu kommen. Ach herrje, da fiel es mir wieder ein, dort war ja noch unser Kochgeschirrbeutel, und darin der kleine Plastikbecher mit unserer Erdnussbutter-Nutellakombination. Schnell sprang ich auf und leuchtete in das Säckchen. Es schien alles in Ordnung. Ich hörte auch keine Fress- und Nagegeräusche mehr. Also nahm ich fix den Beutel, drillte ihn oben zu und hing ihn auf. Zufrieden kuschelte ich mich wieder in den Schlafsack und wollte die Augen schließen. In diesem Moment ging es wieder los, nur viel lauter, als tobte jemand herum.
Mein Gott, ich hatte die Maus im Beutel eingeschlossen. In diesem Augenblick fiel der Beutel mit einem lauten Krachen auf den Boden, ich dachte schon, jetzt sind alle in der Hütte wach geworden. Es blieb jedoch alles still und friedlich – auch im Beutel.
Wahrscheinlich war Edward, so hatte ich die Maus für mich getauft, bewusstlos geworden, oder hatte vielleicht gar nicht überlebt! Ich ließ alles am Boden liegen und horchte. Es blieb ruhig und ich schlief wieder ein. Doch das sollte es noch nicht gewesen sein.
Ein leichtes Scheppern und Knabbergeräusche weckten mich ca. eine Stunde später erneut. Edward, der kleine Quälgeist war also wieder bei Bewusstsein und immer noch hungrig. Ich schritt zur Tat und schnappte mir die Lampe. Vorsichtig öffnete ich den am Boden liegenden Beutel und leuchtete hinein.
Ich weiß nicht, wer sich dann mehr erschrocken hat, Edward oder ich mich. Mit einem wagenmutigen Satz sprang der kleine Kerl aus dem Beutel und flüchtete in die Dunkelheit. Ich inspizierte das Nutellabecherchen. Edward hatte tatsächlich ein kleines Loch oben hineinbekommen, aber wohl nicht mehr. Zum Glück! Ich hängte den Beutel also nun zum 2. Mal auf, aber dieses Mal ohne Edward. Und endlich konnte ich entspannt weiterschlafen, wenngleich ich immer noch meinte, ein leises Knispern zu hören…
Über Nacht hatte es Frost gegeben und einen herrlich sternenklaren Himmel. Rasch wurde ein Feuer im Kamin entfacht und Kaffee gekocht. Dann starteten wir in den Tag. Nachdem endlich die Sonne über die Bergkuppe gekommen war, wurde uns rasch so warm, dass wir wieder auf kurze Sachen wechselten und uns dick mit Sonnencreme einschmierten. Der Weg war heute ein voller Genuss, wie ein Wandertrail in Europa, es gab Brücken und Stege über sumpfige Wiesen und kein zeitraubendes Geklettere und Gematsche. Nahe am Fluss und vor uns auf den Wiesen schnatterten immer wieder unzählige Wildgänse, die sich durch uns kaum stören ließen. Dabei hätte ich so gerne ein Bild gemacht, wenn sie alle aufgeschrocken auffliegen. Es gab auch heute einen einfachen Sattel (Ann-Sattel) zu überqueren, wir haben den Anstieg auf 1136 m kaum bemerkt, weil es endlich mal so einfach zu wandern war. Auch im anderen Tal ging es lieblich und herrlich entspannt weiter. Das Flüsschen, die Wiesen und wir. Grandios! Nach ca 19 km erreichten wir die Ann-Hut, die wir aber links liegen ließen, weil es noch so zeitig am Tage war. Abends zelteten wir im weichem Gras und waren mal fast ohne Sandflys!
14.02.
Valentinstag! Er schenkte uns Sonne, ein bisschen Wind, damit wir nicht so sehr schwitzten und einen herrlich einfachen Weg durch die Flatlands. Wir schafften knapp 30 km in fünf Stunden nur, sogar an der Waiau-Hut vorbei. So macht wandern Spaß!
15.02.
Wir wurden am Morgen von den Wildgänsen geweckt. Es sollte der Tag mit dem respekteinflößenden Waiau-Pass werden. Ein 1.900er.
Der Weg zum Fuß des Berges gestaltete sich schon recht schwierig, da das Tal immer enger wurde, der Trail kaum noch an der Seite des Flüsschens Platz fand, so dass wieder etliche Rivercrossings (Flussquerung) erforderlich wurden und ein Kraxeln über die Geröllfelder sich unendlich in die Länge zog. Der Anstieg war der schwierigste, den wir je gemacht haben, extrem steil und kaum auf zwei Beinen machbar. Wir kletterten auf allen Vieren und der schwere Rucksack zog immer wieder nach hinten. Und bei jedem erkämpften Meter nach oben dachte ich: was soll das nur erst für ein Abstieg auf der anderen Seite werden?
Je höher wir kamen, um so mehr pfiff der Wind und dunkle Wolken zogen bedrohlich heran. So gab es oben nur eine kurze Mittagspause, aber pünktlich 12:00 😉Uhr. Von oben hatten wir einen herrlichen Blick über das Tal, aus dem wir kamen und auf den Blue Lake auf der anderen Seite.
Wir erreichten den ersten der beiden der Seen mit den ersten Regentropfen, nachdem der Abstieg nur nervig – da es wieder über Geröllfelder ging – aber nicht so schwierig wie erwartet war. Leider mussten wir dann noch einen weiteren Aufstieg meistern, der zwar nicht so hoch, aber genauso schwierig wie sein großer Bruder war.
Wolken türmten sich über der Seeoberfläche und wurden immer weiter Richtung Pass geschoben. Zum Glück blinzelte ab und an die Sonne hindurch und gab den Blick auf den See und die zahlreichen Wasserfälle ringsum frei. Gegen Ende kam noch eine sehr knielastige Abstiegskletterei bis zur Hütte hinab hinzu, die wir gegen 16:00 Uhr glücklich, vor dem großen Regen angekommen zu sein, aber sehr erschöpft erreichten.
16.02.
Heute lag eine Doppeletappe vor uns. Wegen der schlechten Wetterprognose nahmen wir uns erstmal den Weg am Fluss zur West-Sabine-Hut vor.
Der Fluss hatte massive Steinschuttberge aufgetürmt, die zum Absterben der nahe am Ufer stehenden Bäume geführt hatte. Ein Teil von ihnen lag kreuz und quer im Wasser, das sich mit zahlreichen Katarakten ins Tal hinab bewegte. Von der Sabine-Hut an begann dann der steile Aufstieg in mehreren Etappen, zum Glück dieses Mal durch den Wald und ohne riskante Stellen. Es war einfach nur sehr steil und sehr schweißtreibend.
Als wir der Baumgrenze näher rückten, eröffneten sich die ersten freien Blicke auf die Bergkette gegenüber und das Flusstal, aus dem wir hinaufgeklettert waren. Richtig phantastisch wurde die Aussicht dann weiter oben. Wolkenfetzen zogen über die Bergspitzen und zwischendrin ein paar Sonnenstrahlen.
Kurz vorm Pass (1740 m) machten wir ein Päuschen und trafen die ersten Keas, die ein ziemliches Geschrei machten und auf eine Fütterung warteten. Doch leider hatten wir selber nur noch jeder einen Müsliriegel. Oben am Pass angekommen hatten wir 1.000 m überwunden und gleich danach kam noch ein zweites Highlight: wir überschritten die erste 1.000 km-Marke in Neuseeland.
Der Abstieg gestaltete sich holprig über nervige Geröllfelder mit dicken Steinsbrocken, was wieder einmal sehr auf die Kniegelenke ging. Hier gibt es so viele Schuttrutsche und Gesteinslavinen, die sich von den Bergspitzen bis ins Tal ergießen wie in Island Lavafelder. Stolz, die gesamte Strecke zwei Stunden schneller als die vorgegebenen Stundenzahl geschafft zu haben, erreichten wir die Upper-Traverse-Hut! Und erst am Abend traf der vorhergesagte Regen ein, als wir schon längst eingekuschelt im Zelt lagen.
17.02.
In der Nacht wurden wir durch ein anhaltendes Poltern geweckt. Wahrscheinlich hatte der Regen auf dem alten Steinschlag am gegenüberliegendem Berghang ein paar Brocken gelöst. Zum Glück war das weit genug entfernt und wenig später in der Nacht begann ein Knabbern und Knispern, doch weder Lampe in der Nacht noch die Kontrolle am Morgen ließ einen Schaden an unseren Utensilien, vor allem am Essen erkennen. Was das bloß gewesen sein mag? Der Tag begann mit blauem Himmel und Sonnenschein. Unser Weg führte heute insgesamt 22 km immer talabwärts entlang des Flusstales (Traverse River) immer im Schatten des Waldes bis zum Lake Rotoiti. Er brachte uns allmählich von 1.400 hm herab auf 600 hm.
Zusatzbeitrag zum Thema nasse Füße: Auf dem Trail hat man zu 80% immer nasse Füße, Schuhe und Socken.
Es gibt drei Abstufungen:
- 1. Eiskalte Nässe mit vernichtenden Schmerzen, z.B. nach mehrfachen Flussdurchquerungen am Morgen im Gebirge nach einer Frostnacht (ich glaube so fühlen sich Durchblutungsstörungen an)
- 2. Nur kalte Nässe mit steifen Füßen, wenn man durch normalkalte Bäche watet oder sich morgens durch klatschnasses Tussockgras kämpft
- 3. Die mollige Matschwärme, die z.B. bei Hitze ein Anschwellen der Füße und damit einer Blasenbildung vorbeugt. Besonders gut mit Morast gepaart.
Abends, nach ca. einer Stunde im Schlafsack – endlich melden die Füße: wir sind wieder richtig durchgetrocknet! Und übrigens: Goretex-Schuhe machen hier überhaupt keinen Sinn… sie trocknen viel zu langsam!
18.02.
Ich war heute zum ersten Mal in Neuseeland baden! Endlich mal angenehme Wassertemperaturen. Und wir haben heute in St. Arnaud jeder eine so extrem leckere Pizza gegessen wie schon lange nicht mehr, nachträglich zur Feier, dass wir die ersten 1.000 km durch Neuseeland geschafft haben!
Aber nun der Reihe nach…
Wir starteten heute früh wieder nach einer frostigen Nacht, aber mit zwei Tassen Kaffee, um den letzten Abschnitt der aktuellen Etappe bis St. Arnaud anzugehen. Die Füße und Beine bekamen gleich wieder ihre extra kalte Dusche durch das klitschnasse Gras entlang des Sees, der voller Seevögel war. Unter anderem gab es Schwarzschwäne mit roten Schnäbeln. Noch nie gesehen.
Später ging es durch den Wald, aber weiter am Rotoitisee entlang. Je näher wir der Zivilisation kamen, um so mehr Motorboote jageten über den See und um so mehr wirkte er wie irgendeine Talsperre bei uns. Das schönste am motorisierten Fun-Sport ist, dass der Lärm und der Gestank zum Glück irgendwann auch wieder abbebben. Und dann gegen Mittag am See bei einer Pause kam der große Moment: ich testete die Wassertemperatur – und sie war lauwarm! Hurra, endlich Badespaß. Deshalb entschieden wir, nicht nur die eine Nacht in St. Arnaud zu bleiben. Morgen gibt es also einen Strandtag!
In unserer Unterkunft fanden wir einen defekten Wanderstock, genau das Oberteil, was bei Dirk vor zwei Tagen kaputt gegangen war – und es ließ sich mit seinem zusammenstecken – so ein Glück muss man erstmal haben! Jetzt hat er zwei reparierte Stöcke.
Fazit: Dirk bekommt alles kaputt: Schuhe, Stöcke und auch der Rucksack musste schon 2x genäht werden….
19.02.
Nachmittags kam die Sonne raus und wir genossen dies ausgiebig.
Gratulation zu den ersten 1000 km und den bestiegenen Tausendern. seid immer gut zu Fuß!
paps