06.03.
Wir fuhren erst mit dem Bus zum Bahnhof und staunten, dass sich jeder Fahrgast beim Busfahrer bedankte, wenn er ausstieg. Mit der Bahn ging es dann noch drei Stationen bis zum Trail – Einstieg am Colonial-Knob-Track – und auch hier begrüßte jeder den Schaffner wie einen alten Bekannten mit: How are you? Wie schön das ist, wenn alle nett zueinander sind!
Der Trail führte uns rauf auf Wellingtons Hausberg, den Mt. Kaukau, es folgten weitere entlang des Skylineweges mit Blick über die Wellington Bucht bis hin zur Südinsel. Dort oben sprachen uns immer wieder interessiert Leute an, die sich freuten, dass wir den TA laufen.
Die Randbezirke der Hauptstadt sind riesig und gehen fließend in andere Vororte und Städte über. Wir werden morgen zusehen, dass wir diesen durchzivilisierten und verkehrsintensiven Abschnitt schnell hinter uns bringen. Wir wollen schnell zurück in die Natur.
Gezeltet haben wir auf dem Elsdon Campsite in Poriura.
07.03.
Wir starteten heute wieder mit dem Zug, um die nervigen Straßenabschnitte des Trails zu überspringen und fuhren bis Paekakariki. Kaum eingestiegen wurden wir von allen vier Schaffnern belagert, die alles über unsere Wanderung wissen wollten und wir erfuhren auch gleich halbe Familiengeschichten und jeder hatte noch Tips für uns.
Am Strand lief es sich recht gut, die Ebbe begann und ließ uns einen ersten trockenen Streifen. Es gab so herrliche Muscheln und vom Meer gedrechselte Holzstücken. Und leider konnten wir nichts mitnehmen…
Die Wolken trieben von der Kapiti-Insel herüber und brachten immer wieder eklige Regenschauer an Land, die uns den Strandaufgang hinauf in die in die Ortschaft flüchten ließen auf der Suche nach einer Unterstellmöglichkeit. Wir mussten nicht lange laufen, sofort hielt ein Auto und wir wurden aufgefordert einzusteigen: wo soll es denn hingehen? Na so ein Glück mal wieder.
Als wir an der Mündung des Waikanae Flusses herausgelassen wurden, hatte auch der Regen aufgehört. Mit dem Trail gelangten wir dann immer weiter entlang des Flüsschens bis zum Camp El Rancho, wo wir einen Zeltplatz fanden. Zur Begrüßung pinkelte gleich ein fetter Kater an unser Zelt.
08.03.
Rauf, rauf, rauf ging es heute in die Tararua-Ranges. Wieder ein typischer Urwald mit Baumriesen und langen Mooszöpfen und allerlei Farnen in allen Etagen.
Der höchste Punkt war heute der Pakeatuea mit 812 m. Je höher wir kamen, um so morastiger wurde der Weg, fast so wie im Longwood. Leider kamen wir wegen eines leichten Infektes meinerseits nur schleppend vorwärts, es fehlte einfach die Kraft… Das Zelt schlugen wir abends am Fluss auf.
09.03.
Der erste Teil der heutigen Tour war noch so schön, herrliche Ausblicke und gut zu wandern. Hier trafen wir einen Auswanderer, der von der Jagd zurück kam und der bereits seit 37 Jahren hier lebt. Sein Vater hatte nach Tschernobyl entschieden: Junge, in Deutschland können wir nicht mehr bleiben. Er freute sich sichtlich über den Plausch mit uns, weil er schon so lange keine Deutschen mehr getroffen hatte.
Zu unserer Verwunderung war der Weg teilweise mit alten Schienen eingefasst. Kaum zu glauben, dass hier oben früher einmal eine Bahnstrecke gewesen sein sollte.
Und dann kam der Abzweig, der Te Araroa wies steil nach oben, kein anderer Wegweiser und nichts dazu in der App. Uns schwante schon Übles. Warum sollten wir da hoch klettern, wenn wir es auch einfacher haben konnten? Aber ohne Hinweis, wohin der andere Weg führte, war es zu ungewiss… Rückblickend betrachtet hätten wir diesen Weg gehen sollen!
Ständige Auf und Ab’s bis zu einer vermeintlichen Bergspitzen, von der man jedoch außer bemoosten Bäumen nichts zu sehen bekam. Über bis zu 70 cm hohe Stufen klettern, die die Baumwurzeln bildeten und über Schlammlöcher balancierend lehrte uns der Trail heute mal wieder so richtig das Fluchen. Ein durch und durch schikanöser Trail. Wieder einmal waren alle Körperteile gefordert, die Knie maulten am meisten.
Vor allem ganz am Schluss kam es noch mal Dicke, der letzte Kilometer führte uns erst 500 m kletternd hinauf und dann wieder hinab, ohne erkennbaren Grund. Wir mussten uns so auf den Weg konzentrieren, dass wir oftmals den Blick für die zauberhafte Flora ringsum verloren, dabei gab es so viel zu entdecken.
Am Nachmittag erreichten wir die sehr geräumige und freundlich helle Waitewaewae-Hut. Endlich konnten wir das klitschnasse Zelt richtig trocken. Und wir hatten die Hütte am Fluss Otaki ganz für uns alleine!
10.03.
„Arme NoBo’s“ hatte ein Southbounder ins Logbuch geschrieben und daneben eine Skizze mit einem fast senkrechten Anstieg auf die Bergspitze und dem Hinweis „Stepclimbing“ hinterlegt. Tja und so war es dann auch: Eine 70 Grad-Neigung des Pfades, bergauf über unzählige Wurzelstufen, erkletterbar oft nur auf allen Vieren. Ich habe mich gefühlt wie ein 2-jähriges Kind, für das jede Treppenstufe eine Herausforderung darstellt und das bis in den 11. Stock hoch! Denn wir hatten heute 1200 hm laut App zu überwinden.
Beim Klettern fängt man dann an diese Wurzeln zu klassifizieren. Das Prädikat „sehr gut“ erhalten nur solche, die möglichst quer zum Weg verlaufen, eine Höhe von maximal 30 cm (für mich 😉) und mindestens 3 cm Durchmesser haben und weder nass noch bemoost sind.
Nach der Baumgrenze wurde es mit einem Schlag besser. Plötzlich hatten wir freie Sicht bis zum Meer und auf die Bergketten ringsum. Trotzdem ging es für uns noch weiter bergan, der Hauptgipfel heute sollte der Mount Crawford, mit seinen 1462 m die höchste Erhebung der Tararua-Ranges -sein. Und welch eine Überraschung, wen trafen wir mal wieder kurz vorm höchsten Punkt? Tim, unseren langbeinigen Australier, dem wir in den Richmonds schon am Mt. Rintoul über den Weg gelaufen waren.
Er hatte auch heute schon 2 Tagesetappen hinter sich und setzte zur 3. an – wie in den Richmonds schon, für die hatte er nur 3 Tage gebraucht! Echt irre und nicht nachvollziehbar für uns. Wir begnügten uns heute mit der Nichols-Hut als Tagesziel, die wir schon halb drei erreichten, eigentlich viel zu früh, um zu bleiben, aber die nächste Hütte sollte lt. App noch 5 h entfernt sein, also nicht mehr im Hellen erreichbar bei den schlechten Wegverhältnissen.
Den Abstieg bis hierhin stolperten wir durch blickdichtes Tussockgras über Stock und Stein sowie versteckte Schlammlöcher mit einigen Ausrutschern. Und zusätzlich abgeschmeckt wurde das Ganze mal weder durch heftige Windböen von der Seite, die mich einige Male aus dem Tritt brachten. Nun sitzen wir vor der Hut in der Nachmittagssonne und trinken Tee. Da ist dann die Welt schon wieder in Ordnung!
11.03.
„All we can do is sit and wait“…
Der geplante Start gegen 07:00 Uhr wurde uns vom Wetter vermiest. Dicke Nebelwatte umhüllte unsere kleine Hütte und versperrte die Sicht in alle Richtungen. Zudem war draußen alles entsprechend tropfnass. Statt heller wurde es immer dunkler. Kein trockenes Feuerholz, woher auch? Draußen wuchs nur das bekannte Tussockgras. Da blieb uns nichts anderes übrig: abwarten und zurück in die Schlafsäcke kuscheln. Wir versuchten Alternativwege zu finden, leider ohne Erfolg. Noch lagen mindestens zwei mal neun Stunden Wanderung vor uns und die Vorhersage war richtig schauerig, morgen Regen und übermorgen noch mehr Regen mit Gewitter abgeschmeckt. Dann plötzlich foppte uns die Sonne durch ein winziges Loch im Nebel und wir packten frohen Mutes schnell alles zusammen und liefen los. Aber nix war’s; kaum waren wir draußen, war alles wie vorher, Nebel und Nässe ringsumher.
Jetzt oder nie, wir blieben bei der Entscheidung, wir wollten nicht noch länger in der Hütte herumhängen. Es ging dann über eine Bergkette immer auf und ab, Gipfel reihte sich an Gipfel und zwischendurch immer wieder runter durch eine Senke mit besonders viel Matsch und Morast. Ich frag mich, wieso hier oben soviel davon ist, das Wasser könnte doch so schön in alle Richtungen ablaufen…
Mittag machten wir an der Dracophyllum-Hut und weiter ging es bergauf mit erneuten Kletter- und Kraxelaktionen. Immer wieder tauchte wie ein Zuckerhut (uns kam es auch genauso steil vor) ein neue Kuppe vor uns aus dem Nebel auf, die es mühsam zu erklimmen galt. Laut Trail-App sollte aber der eigentliche Hauptanstieg erst in weiteren 4 km kommen. Ich dachte, ich werde verrückt, das kann doch nicht sein, wenn es die ganze Zeit schon steil bergan geht! Ich war schon drauf und dran eine Beschwerde an den DOC zu formulieren, aber ein Blick in meine FarOut – Karte zeigte uns als kleinen blauen GPS-Punkt schon am Berghang – die Hälfte war geschafft! Ein Glück.
Oben angekommen schien leider immer noch keine Sonne und der Nebel behielt weiterhin alles blickdicht verpackt. Aber es gab ein Schild, auf dem unsere Tageszielhütte nur mit noch 1 h ausgewiesen war. Hurra, die Anstrengungen hatten ein erreichbares Ende!
Beflügelt davon überlegten wir uns bereits, was wir heute kochen wollten. Während uns schon das Wasser im Munde zusammen lief, patschten wir weiter durch knöcheltiefen Schlamm und kletterten nasse Steine hinab, aber nun mit deutlich besserer Stimmung! Und als wir die Hut erreichten, da kam dann die Sonne heraus und zeigte uns die Bergspitzen, die wir erklommen hatten in einem herrlichen Goldorange. Na immerhin. Und heute Abend gab es ein ordentliches Feuer im Kamin. Die Te Matawai Hut hatten wir für uns alleine.
12.03.
Der Matsch stand heute im Mittelpunkt eines jeden Weges. Mittendurch ging es immer bei Dirk, wenn das Vorsondieren mit dem Stock nur eine Maximaltiefe von 10-20 cm ergab. Ich versuchte mich unterdessen am Rand am Buschwerk entlang zu hangeln, was wesentlich mehr Zeit kostete und Dirks Geduld.
Insgesamt hatten wir heute noch 2 Gipfel zu bewältigen, bei guter Sicht und freundlichem Wetter. Ab dann ging es stetig bergab über einen ewig langen Bergrücken. Und da kam der Schmodder.
Unten am Ohau-River erst bekamen wir einen entspannten Trailverlauf entlang der Fluss-Schlucht. Trotzdem rutschte Dirk einmal seitlich weg und purzelten den Hang (zum Glück Buschwerk) 3-4 m herunter, ich sah das alles wie in Zeitlupe, während mich der Schreck lähmte. Aber da hörte ich ihn schon von unten laut fluchen und schimpfen – alles gut gegangen, nichts verletzt, nichts kaputt, nur voll Schlamm. Mannomann, was da hätte passieren können.
Jetzt liegen wir satt und frisch geduscht und wieder wohl duftend im Zelt auf einem Campingplatz in Levin. Vom Waldparkplatz bis hierher zu trampen war mal wieder gar kein Problem gewesen. Der, der uns mitnahm, erzählte, dass er diesen Sommer schon so einige Wanderer an der Straße eingesammelt hatte, das sei ja so langweilig nur Straße zu laufen und da halte er immer nach den Rucksackleuten Ausschau. Uns chauffierte er direkt bis zur Rezeption vom Campingplatz! Die Leute hier sind einfach nett!
13.03.
der Tag in Levin…
Heute war ein so richtiger Zero-Day, außer ein wenig einzukaufen und der Wäsche beim Trocknen zuzuschauen, haben wir nicht viel gemacht. Haben uns nur ausgeruht und dem schlechten Wetter in den Bergen von der Ferne aus zugesehen. Fast den ganzen Tag waren sie in dicke Wolken gehüllt und wirkten sehr ungemütlich.
Am Abend wurden wir ungeplant noch einmal zum Pizzaessen „verdonnert“, da die über-emsigen Zeltplatzleute unsere Nahrungsmittel samt Beutel aus dem Kühlschrank weggeworfen hatten, wahrscheinlich, weil wir sie nicht ordentlich mit unserem Namen beschriftet hatten, leider, leider!
Das alles hatten wir erst gestern neu eingekauft und es war sogar noch original verpackt. Besonders schade war es um das eine Kilo Käse.
Solche schönen Muscheln…hätte ich gerne.
Die Pflanzenwelt ist sehr beeindruckend.
Bringt mal paar Samen mit, die dürften doch im Rucksack nicht zu schwer sein.
Dirk haste die Schuhe geputzt oder entsorgt?
Wünsche euch noch weiterhin viele nette Bekanntschaften – aber nicht solche, welche Essen so einfach wegwerfen. Aber vielleicht hatte auch nur jemand Hunger…seht es mal von der Seite.
LG BERIT