19.04.
So viele herrliche Muscheln wieder einmal, größer, bunter und schöner als die von gestern, ich wollte sie alle mitnehmen und durfte nicht, schluchz…
Wir wanderten heute von Waipu nach Marsden Point und hatten auf halber Strecke wieder einmal einen Fluss zu überwinden, weshalb wir uns beeilten, ihn noch bei Ebbe zu erwischen. So war es ein Kinderspiel: sandiger Boden und nur maximal oberschenkeltiefes Wasser und kaum Strömung im Ruakaka-River.
Kurz nach der Mittagspause verdunkelte sich der Himmel von allen Seiten und schickte immer länger währende Schauer über uns hinweg, sodass wir kurz vor Marsden Point eilig den Strand verließen, um einen Unterstand zu finden. Erst retteten uns einige Bäume, später ein altes Café der Raffinerie kurz vorm Hafen. Kaum hatten wir die überdachte Terrasse erreicht, schüttete es aus vollen Kannen und wollte gar nicht wieder aufhören. Auch das noch, wir saßen fest und hatten noch nicht mal einen Plan wie wir auf die andere Seite (von Whangarai-Habour) übersetzen sollten. Zumal Dirk entlang der Straße bis zum Marsden Point nicht weiter wollte, da überall das Gelände der Raffinerie angrenzte und man sehen konnte, dass alle Fahrzeuge an einem Kontrollposten vorbei mussten. Er wollte deshalb den langen Umweg über den Strand zurück wie es die Trail-App angab. Da gab es etwas Streit. Letzten Endes einigten wir uns darauf nach Whangarai zu trampen und uns dort eine regensichere Unterkunft suchen, denn es sollten noch weitere Wassermassen die nächsten Stunden herunterkommen. Doch ein Missverständnis („are you going to town?“-„yes“) führte uns statt nach Whangarai nach Ruakaka (das wir für ein Dorf gehalten hatten), die halbe Strecke, die wir heute gelaufen waren, zurück, so ein riesengroßer Mist! Und der Zeltplatz dort hatte keine Cabins. Unser beider Stimmung erreichte einen absoluten Tiefpunkt. Doch ein Anruf der freundlichen Zeltplatzchefin beim nächstgelegenen Motel rettete uns und sie handelte uns sogar noch einen guten Preis aus. Ende gut alles gut! Da müssen wir nur morgen in die richtige Richtung trampen! Und übrigens, wir hätten doch an der Straße weiter bis zum Marsden Point gehen dürfen.
20.04.
Ein Zwangsruhetag wegen heftigem Unwetter in Ruakaka – saueklig, da will man nicht mal den Hund vor die Tür jagen. Wir hatten es trockenen und genossen es mal nichts zu tun!
21.04.
Auf, auf nach Marsden Point!
Wir trampten zurück, die ewig lange Straße bis dahin und warteten auf Blair und sein Wassertaxi am Steg in der Sonne. Kaum legte er an, begannen die ersten Tropfen zu fallen.
Auf der anderen Seite angekommen, hievte er das Boot noch im Wasser auf einen Anhänger und zog es dann mit dem Traktor, der schon bereit stand, mit uns drin an Land. Und dann tuckerten wir so noch ein Stück die Straße rauf, bevor wir aussteigen durften.
Die Halbinsel, auf der der Trail nun weiter ging nennt sich Whangarai Head oder wegen seiner Form vom Festland aus gesehen „die Henne“ und die kleinen Inseln in der Bucht davor „die Küken“.
Der Henne sollten wir heute noch auf den Kopf steigen, der einem felsigen Gipfel entspricht. Zunächst einmal hieß es immer wieder: Regenjacke an, Regenjacke aus. Ein kräftiger Wind blies zusätzlich immer stärker werdend von der Seite, während wir die Küstenstraße entlang stapften. Erst nach vier Straßenkilometern sollte der eigentliche Trail durch den Wald und auf die Hügelkette der Henne beginnen und laut App 6 – 7 h dauern, pro Kilometer eine Stunde, was sollte denn das wieder für ein besch… Weg werden? Und das bei dem Wetter! Das würden wir nie vor dem Dunkelwerden schaffen!
Mittlerweile hatte der Wind sich zu ungemütlichen Sturmböen aufgebaut. Es gab eine Straße, die die Sache abkürzte und die trampten wir. So kamen wir vorzeitig am Tagesziel, Ocean Beach, an, bauten unser Zelt auf und erstiegen den höchsten Gipfel von der anderen Seite und das ohne Gepäck! Welch eine Erleichterung! Der Anstieg war extrem steil und wieder schlammig, später gab es noch unendlich viele Stufen, aber die Ausblicke lohnten sich: nach Osten der unendlich weite Ozean, dessen Oberfläche vom Wind wie zerrissen aussah mit den kleinen Inseln davor, im Süden der lange Küstenabschnitt, den wir die letzte Woche erlaufen hatten, im Norden die Ostküste, die noch auf uns wartete und im Westen die Hafenbucht von Whangarai. Und überall jagte der Wind dunkle Wolkenberge zusammen, nur bei uns auf dem Hennenkopf war der Himmel blau. Na das war doch mal was!
22.04.
Ein ordentlicher Sturm rüttelte und zerzauste nachts Bäume und Strauchwerk am Hang oberhalb des Shelters und unseres Zeltes, dass es einem Himmelangst wurde. Zum Glück stand unser Zelt nahezu windstill, das Getöse fand weiter oben statt. Immerhin sorgte der Wind mal für ein trockenes Zelt und wir wachten früh zum ersten Mal nicht in einer Tropfsteinhöhle auf (irgendwie ist es sonst immer von innen total beschlagen trotz Belüftung). In der Nacht hörten wir auch wieder die Kiwis schreien, sehr markante schrille Rufe.
Die Strecke führte die ersten 8 km am Strand entlang, dann einen kleinen Berg hinauf durch einen Kauriwald. Während der Mittagspause auf der Bergspitze belagerten uns drei Fantails, sie flatterten immer um uns herum und trauten sich aber dann doch nicht zu landen. Echt putzige Gesellen.
Die letzten Kilometer vorm Ziel querten wir bei Ebbe wieder einen größeren Fluss, den Thaiharuru-River, und wateten bis zur Flussmitte durch knöcheltiefen Modder, mitten durch die kleinen Mangroven hindurch. Auf der anderen Flussseite lief es sich nicht besser und es sollte noch 2 km durch den Schlick flussaufwärts bis nach Pataua weiter gehen. Auf einer Halbinsel mit eigenem Klippenberg direkt am Strand erreichten wir einen wunderschönen Zeltplatz; Treasure Island.
23.04.
In der Nacht führten wieder verschiedene nachtaktive Vögel lautstark eine Unterhaltung, Kiwis waren bestimmt auch darunter.
Heute gab es leider eine 20 km lange Umgehung entlang kurviger Straßen, da der ursprüngliche TA-Trail gesperrt worden war. Zum Glück durften wir zwischendurch auf einen sehr schönen Waldabschnitt mit sehr guter Wegequalität entlang eines Flüsschens, das wir 2x querten. Leider mussten wir nach 6 km wieder auf die Straße wechseln.
Ab Kiripaka nahm uns glücklicherweise jemand bis Ngunguru mit. Am gleichnamigen Fluss machten wir mit Fish and Chips eine ausgiebige Mittagspause und fütterten die gierigen Möwen.
Nach dem Ort sah der Trail wieder ewig lange Straßenabschnitte vor. Erst ab Matapouri gelangten wir auf einen herrlichen Küstenweg mit grandiosen Ausblicken auf einzelne Buchten und Strände und das unendliche Blau des Ozeans. In Whananaki erreichten wir den Zeltplatz über die längste Fußgängerbrücke (395 m) der südlichen Hemisphäre, einst für die Schulkinder gebaut.
Das Office des Zeltplatzes war und blieb trotz mehrfachen Klingelns und Anrufens verweist. So suchten wir uns ein Plätzchen für unser Zelt (ach oh graus), ohne uns vorher angemeldet zu haben. (War aber alles kein Problem am nächsten Morgen)
24.04.
Heute hatten wir wieder lauter Straßen abzuwandern, gleich 2x standen wir vor einem verschlossenen Trail. Somit gab es ausschließlich Roadwalking. Der harte Asphalt, das geht dermaßen auf die Füße und davon mal abgesehen macht es gar keinen Spaß. Also hatten wir recht schnell die Nase voll davon.
Einen Zwischenstopp mit Mittagspause gab es an der Helena Bay und jetzt haben wir direkt am Meer in Okura auf dem Campingplatz unser Zelt aufgeschlagen. Und baden war ich auch schon. Hier ist es so traumhaft schön, dass wir noch einen Tag länger bleiben wollen.
25.04.
So ein Tag zum Faulenzen tat mal richtig gut und das mit Meeresblick.
Natürlich haben wir nicht nur herumgelegen, das geht bei uns ja gar nicht. Wir sind ein bisschen am Strand herumgeschlendert und geklettert und haben uns darüber gewundert, dass die Leute ganz hinten auf der Halbinsel mit ihren Autos nur über den Strand zu ihren Häusern gelangen können und bei Flut eben gar nicht. Keine Straße führt dahin.
Als wir um einen Tag verlängerten, mussten wir leider mit unserem Zelt von Reihe 1 (vom Meer aus gesehen) in Reihe 3 umziehen, angeblich, weil neue Camper, die vorbestellt hatten, kommen sollten, sie kamen aber nicht. Ob uns da jemand ein bisschen schikanieren wollte? Dann plötzlich erschien die Polizei auf den Campingplatz und holte ein Pärchen aus einem Wohnwagen, eine Aufregung, ein Gezeter. Der Mann wurde mitgenommen. Wie im Krimi. Ich hätte zu gern erfahren, was da los war. Es blieb uns aber nichts anderes übrig als uns gegenseitig mit Mutmaßungen zu übertrumpfen. Und dann gab es noch so einen kleinen 6-jährigen Sonnenschein, der uns die ganze Zeit belagerte, mit Fragen löcherte und mit uns herumtollen wollte, weil er sich so freute, dass wir auch aus Deutschland kamen. Und im weiteren Tagesverlauf gab es immer wieder das Meer mit seiner beruhigenden Wirkung und letzten Endes einen neuen Krimi aus der kleinen Campingplatzbibliothek zum Schmökern.
26.04.
Wir starteten zu Fuß entlang der 40 km langen Straße in Richtung Russel. Es war sehr ruhig wegen des verlängerten Wochenendes und leider kam lange Zeit kein Auto vorbei. So konnten wir wenigstens die morgendliche Ruhe und das Erwachen des Waldes ringsumher genießen, ab und an gab es auch mal einen Blick aufs Meer.
Wir kamen gut voran.
Später schauerte es ordentlich und wir bekamen nacheinander 3 Mitfahrgelegenheiten mit sehr unterhaltsamen Fahrern bis Russel, ein bisschen Geschichtliches, ein wenig Politisches und weitere gute Wandertipps.
Russel ist eine historische niedliche Küstenstadt und galt als die erste Hauptstadt von Neuseeland. Damals gab es hier viele Trunkenbolde und immer wieder Schlägereien. Wir besuchten dort das kleinste Landeskundemuseum Neuseelands. Am frühen Nachmittag setzten wir mit der Fähre nach Paihia über und schlenderten auch dort noch ein wenig durch den Ort, bevor wir unser Zelt im Waitangi-Holiday-Park aufschlugen.
27.04.
Gleich früh am Morgen stritten sich die Enten, Pukekuhühner und die Möwen um die besten Futtergründe nahe unseres Zeltes. Und gleichzeitig ging die Sonne auf und tauchte alles in ein warmes orangenes Licht.
Heute hat Oskar Geburtstag und ich konnte ihn leider nicht in den Arm nehmen, das ist schon schwer… Und es müssten jetzt auch die Rapsfelder blühen…
Nach dem Frühstück liefen wir über die Brücke nach Waikane, dem historischen Ort in Neuseeland schlechthin. Am 06.02.1840 wurde hier der Vertrag zwischen den Maoristämmen und dem britischen Königshaus geschlossen und dieser Tag gilt somit als Gründungsdatum Neuseelands. Leider hatte das Museum noch nicht geöffnet. Wir warfen aber einen Blick durch die Scheibe auf eine vergrößerte Kopie des Vertrages.
Später landeten wir, einer Ausschilderung zu einem Wasserfall folgend, auf einem falschen Trail, der uns aber über Holzplanken durch einen Mangrovenwald führte. Zurück zum TA fanden wir über einen kleinen Umweg und einige Unmutsäußerungen von Dirk.
Die Strecke bis nach Kerikeri brachte uns zu einem nächsten historischen Highlight, dem Gründungsort des Te Araroa Trails. Der erste Teilabschnitt wurde schon 1995 eingeweiht.
Landschaftlich war es heute bis auf den Mangrovenwald so naja, 15 km Schotterfahrweg durch einen nahezu vollständig abgerodeten Wald.
In Kerikeri angekommen hatten wir gerade frustriert die restlos ausgebuchte Backpackerlodge verlassen, als neben uns ein Auto hielt und uns ein junger Bursche zurief: „are you TA-Walker?“. Jack war gerade gestern mit dem TA fertig geworden und von Johnny, der neben ihm am Steuer saß, aufgenommen worden. Ob wir denn eine Unterkunft suchen würden? So ein Glück – unser Gepäck wurde sofort verstaut und wir fuhren gemeinsam zu Johnnys Haus. Ein herrlicher Blick von der Terrasse. Wir bekamen ein eigenes Zimmer, eine warme Dusche, Obst und Joghurt und dann fuhr er uns sogar zum Einkaufen und wartete die ganze Zeit im Auto. So ein gastfreundlicher Mann. Unglaublich! Er freut sich immer über Besuch seit seine 6 Kinder aus dem Haus sind. Mittlerweile hat er 19 Enkel und 21 Urenkel. Wahnsinn!
Ihr seid ja schon richtig weit gekommen, die Insel ist ja bald zu Ende – wie geht’s denn dann weiter, wenn ihr oben angekommen seid?